How-To
Auf Android-Handys ist es per Custom ROM möglich, ein neues (und oft besseres) Betriebssystem einzuspielen. Neben neuen Funktionen ist dabei oft auch mehr Tempo drin.
Von Peter-Uwe Lechner
PC-WELT
Image: Cyanogenmod
Custom ROMs, das heißt von Entwicklern modifizierte und um zusätzliche Funktionen erweiterte Android-Versionen, erfreuen sich immer größerer Beliebtheit. Hauptgrund dafür dürfte die Tatsache sein, dass das Einspielen solcher Alternativ-Betriebssysteme bei Weitem nicht mehr so kompliziert ist, wie das in den Anfangstagen der Fall war. Denn statt mit Konsolenbefehlen zu hantieren und einzelne Dateien zu manipulieren, beschränkt sich der Aufwand auf die Suche und den Download interessanter Custom ROMs. Und die Auswahl ist riesig, vor allem für populäre Smartphones wie das Galaxy S3 und S4. Um Android hat sich deshalb eine recht aktive Entwicklergemeinde gebildet, die alternative Versionen erarbeitet, um das vom Smartphone-Hersteller vorinstallierte Android zu ersetzen. So können Sie mit der Vielzahl von Custom-ROM-Varianten Ihrem Android-Smartphone unter anderem eine neue Oberfläche spendieren, auf einem HTC-Gerät die Apps, die zum Lieferumfang von Samsung-Smartphones gehören, verwenden und schon jetzt Android-Versionen einsetzen, die der Gerätehersteller erst einige Monate später offiziell bereitstellen wird. Sinn machen Custom ROMs auch dann, wenn Sie ein älteres Smartphone besitzen, für das der Hersteller keine Android-Updates mehr anbietet. Denn ein Modell, das nicht mehr im Handel ist, bekommt selten Updates vom Hersteller spendiert. Wer neue Funktionen haben will, der soll sich gefälligst ein neues Smartphone kaufen, so lautet die Maxime der Hersteller. Der Grund ist simpel: Viele Hersteller scheuen die Entwicklungskosten, da sich diese bei älteren Geräten nicht mehr amortisieren. Hinweis: Auch wenn das Einspielen von Custom ROMs inzwischen keine große Herausforderung mehr darstellt, ist ein gewisses Restrisiko immer vorhanden. Im Extremfall kann es passieren, dass Ihr Smartphone nicht mehr startet und Sie es unter Zuhilfenahme diverser Tools wiederherstellen müssen.
Android rooten: Mehr Power für Smartphones
Custom ROM: Das steckt dahinter
Custom ROMs basieren stets auf dem freigegebenen Android-Quellcode von Google, in dem unter anderem der Kernel, die Dalvik Virtual Machine für die Laufzeitumgebung der Apps und die Standard-Benutzeroberfläche enthalten sind. Der Kernel ist das Herzstück des Betriebssystems – hier besteht immer großes Optimierungspotenzial. Ein modifizierter Scheduler kann die Systemleistung verbessern. Außerdem gibt es mit Custom ROMs über den hierbei vorausgesetzten Root-Zugriff stets auch die Möglichkeit, die CPU des Smartphones oder Tablets zu übertakten. So ist es zum Beispiel möglich, ein Samsung Galaxy S2 mit 1,6 GHz pro Kern anstatt mit den üblichen 1,4 GHz arbeiten zu lassen. Aber auch hier gilt wie beim Heimrechner: Eine zu hohe Taktzahl führt unter Umständen zu Instabilität und Überhitzung des Geräts. Und sie reduziert natürlich die Akkulaufzeit.
Offizielle Android-Systeme schleppen in Form von eigenen Oberflächen wie HTC Sense und Samsung Touchwiz, Hersteller-Apps, Werbung und Branding viel Ballast mit, den freie Entwickler vollständig über Bord werfen. Als Alternative bietet sich bei Custom ROMs die unveränderte, schlanke Android-Oberfläche des Referenzsystems an, das sich beispielsweise auf den Geräten der Nexus-Serie von Google findet. Es gibt aber auch den umgekehrten Ansatz: Einige Custom ROMs wie MIUI stülpen dem Gerät eine ganz eigene Oberfläche über. Generell besteht darüber hinaus die Möglichkeit, eine andere Optik über Themes im APK-Format nachzurüsten.
Grundvoraussetzung: Ein gerootetes Smartphone

Die wichtigste Voraussetzung, um selbst mit Custom ROMs experimentieren zu können, ist ein gerootetes Smartphone. Da sich das Erlangen der Root-Rechte jedoch von Hersteller zu Hersteller, von Modell zu Modell und sogar von Android-Version zu Android-Version unterscheidet, wollen wir an dieser Stelle nicht im Detail auf das Rooten eingehen. Interessierte Nutzer verweisen wir statt-dessen an die beiden informativsten Anlaufstellen in Web: Android-Hilfe.de und XDA-Developers.com. Sie finden auf den beiden Webseiten jede Menge an Informationen sowie Schritt-für-Schritt-Anleitungen für alle gängigen Smartphone-Modelle. Das Rooting ist unter Umständen ein wenig vertrackt: Nötig ist für jedes Gerät eine eigene Methode oder ein Tool, das bekannte Debug-Techniken oder sogar Sicherheitslücken benutzt, um sich Root-Zugang zu verschaffen. Leider ist es nicht so, dass es eine universelle Rooting-Methode für alle Smartphones und Tablets gäbe. Ein guter Startpunkt bei der Suche nach einer Rooting-Lösung für das eigene Gerät ist das Forum der XDA Developers . Die kostenlosen Programme Super One Click und Odin 3 sind in der Lage, zahlreiche Android-Smartphones zu rooten und werden beständig weiterentwickelt. Beachten Sie, dass Viren-Scanner eventuell eine Warnmeldung zu diesen Programmen abgeben, da sie unter anderem Codes zum Ausnutzen von Sicherheitslücken auf Android-Geräten enthalten.

Ist das Smartphone gerootet, kommen Sie als sein Besitzer anschließend in den Genuss uneingeschränkter Zugriffsrechte auf das mobile Betriebssystem. Somit können Sie auch Apps installieren, die tief in das Android-System eingreifen. Dazu gehören beispielsweise De-installations-Apps, die es Ihnen ermöglichen, auf dem Gerät vorinstallierte, auch als Bloatware bezeichnete Apps zu entfernen. Und je weniger Apps auf einem Gerät laufen, desto geringer ist die Systemauslastung, was sich wiederum positiv auf die Performance und die Akkulaufzeit auswirkt.

Nach dem Rooting folgt das eigentliche Installieren der Custom-Firmware. Das Gerät sollte komplett geladen sein. Am besten ist es, wenn das Smartphone oder Tablet mit dem Ladekabel verbunden ist. Denn es wäre fatal, wenn der Strom ausfällt, während das Gerät ein neues Betriebssystem einspielt. Das Resultat wäre im schlimmsten Fall ein Stück unbrauchbare Elektronik. Nicht zwingend erforderlich, jedoch sehr empfehlenswert ist die App ROM Manager. Zwar lassen sich Custom ROMs ohne Weiteres auf manuellem Wege einspielen, wesentlich komfortabler ist es allerdings, sich bei dieser Tätigkeit von der ausgezeichneten App unter die Arme greifen zu lassen. Gut: Wer kein Geld für die kostenpflichtige Premium-Version ausgeben will, der erzielt auch mit der kostenlosen Variante gute Ergebnisse.

Der ROM Manager erkennt das verwendete Gerät und installiert den modifizierten Recovery-Modus, um vollen Zugriff auf das System zu haben. Außerdem führen Sie mit dem ROM Manager die enorm wichtige Sicherung des aktuellen ROMs durch, um das originale Android wiederherstellen zu können. Custom ROMs liegen meistens als Zip-Archiv vor. Sie brauchen im ROM Manager nur die Zip-Datei auszuwählen, die App entpackt und installiert sie ohne weiteres Zutun. Vor einer Installation fragt der ROM Manager, ob Sie mit „Wipe“ das Gerät vollständig zurücksetzen wollen. Dies ist eine wichtige Voraussetzung, um ein Custom ROM sauber zu installieren. Das Aufspielen des neuen ROMs kann bis zu zehn Minuten dauern. Währenddessen dürfen Sie das Gerät nicht ausschalten, denn ein unvollständiger Flash-Vorgang macht das Gerät unbrauchbar. Wenn das installierte Custom ROM den Erwartungen nicht entspricht oder mit der Hardware eines Geräts nicht optimal zusammenarbeitet, gibt es ein Zurück. Zumindest, wenn Sie mit dem ROM Manager zuvor eine Sicherung angelegt haben. Damit ist es möglich, das vorige System wiederherzustellen. Im ROM Manager gehen Sie dazu in „Verwaltung und Wiederherstellung von Backups“ und wählen das gesicherte ROM aus. Danach ist noch eine Bestätigung erforderlich. Das Zurückspielen dauert ebenfalls einige Minuten. Anschließend startet das Gerät wieder das alte System, das aber weiterhin gerootet beziehungsweise entsperrt ist.
Android individuell – dank Custom ROM Klassiker unter den Custom ROMs: Cyanogen Mod 10.1



Das bekannteste Custom ROM mit der größ-ten Anwender- und Entwickler-Community ist Cyanogen Mod. Das System soll bereits auf rund drei Millionen Geräten zum Einsatz kommen. Mehr als vier Jahre Entwicklungszeit stecken in dem Projekt, das mittlerweile in der Version 10.1 mit Jelly Bean als Basis angekommen ist und sich durch eine schnelle Aktualisierung auf aktuelle Android-Versionen auszeichnet. Cyanogen Mod ist das technische Vorbild für zahlreiche andere Custom ROMs und stellt vielen seinen Android-Kernel zur Verfügung. Offiziell unterstützt Cyanogen Mod mehr als 70 Android-Geräte verschiedener Hersteller mit einer stabilen und vollständig getesteten Version: etwa für das Samsung Galaxy S2, S3 und S4, das Galaxy Note 1 und 2 sowie weitere Smartphones und Tablets unterschiedlicher Hersteller. Darüber hinaus gibt es für Hunderte von Geräten Vorabversionen und experimentelle Varianten. Aus der großen Fangemeinde erhalten die Entwickler eine Menge Rückmeldungen und Funktionswünsche. Wegen der guten Dokumentation und vergleichsweise umfangreichen Unterstützung für viele Android-Geräte ist dieses Custom ROM ein idealer Startpunkt für beschlagene Smartphone-Tüftler. Alle Infos und englischsprachige Dokumente bietet die Projekt-Webseite CyanogenMod . Um zu klären, ob es überhaupt ein Custom ROM für Ihr Gerät gibt, müssen Sie Kompatibilitätslisten durchgehen. Für Cyanogen Mod finden Sie die Liste der unterstützten Geräte unter „Devices“ auf der Projekt-Webseite. Sowohl Erfahrungsberichte als auch wichtige Hinweise bietet das englischsprachige Forum xda-developers . Ein umfangreiches deutschsprachiges Forum enthält android-hilfe . Generell gilt: Besorgen Sie sich vorab so viele Informationen zu Ihrem Gerät wie möglich. Weitere Custom ROMs: Für jeden ist etwas dabei
Hat man erst einmal den Root-Zugriff auf dem entsperrten Smartphone, stehen zahlreiche Custom ROMs zur Auswahl bereit. Wie erwähnt, ist Cyanogen Mod ein guter Einstiegspunkt und ausführlich dokumentiert. Daneben gibt es eine Menge weiterer ROMs, die teils speziell auf ein bestimmtes Gerätemodell zugeschnitten sind. MIUI: Einen ganz besonderen Ansatz verfolgt MIUI, das kommerziell von der chinesischen Firma Xiaomi entwickelt wird. Diese Variante basiert auf Kernels von Cyanogen Mod und den neuesten Android-Versionen. Auch MIUI erfreut sich einer großen Fangemeinde, die viele Anregungen und Wünsche an die Entwickler weitergibt. Xiaomi stattet seine Custom ROMs übrigens mit einigen Apps aus eigener Entwicklung aus. Unter anderem sind Viren-Scanner, Autostart-Überwachung, Messenger, Anruf- und SMS-Filter sowie Rechteverwaltung an Bord. Über einen eigenen Online-Store lassen sich viele kostenlose sowie kostenpflichtige Themen, Lockscreen-Grafiken und Bildschirmhintergründe laden. Die Anlaufstelle für deutschsprachige Tüftler ist MIUI-Germany . Virtuous ROM: Die Entwickler von diesem ROM portieren oft Versionen neuer Smartphone-Modelle auf ältere und passen den Kernel an, um dadurch mehr Leistung aus der Hardware herauszuholen. Eine zusätzliche Spezialität der Entwickler sind Custom ROMs für verschiedene Android-Tablets. Die Projekt-Webseite virtuousROM stellt die Entwicklung vor und bietet ein eigenes Forum rund um das Custom ROM. Omega ROM: Das Custom ROM basiert auf Android 4.2.2 und steht unter anderem für die Galaxy-Modelle S2, S3 und S4 zur Verfügung. An Bord sind alle Apps und Hubs von Samsung. Der Aroma-Installer lässt Sie auswählen, welche Zusatz-Apps eingespielt werden sollen. Zur Verfügung stehen unter anderem der Dateimanager ES File Explorer, das beliebte News-Tool Flipboard und der Packer/Entpacker Zarchiver. Mithilfe der Tuning-Funktionen kann etwa die Taktfrequenz des Prozessors verändert werden.
Zurück zum Original: Stock-ROM einspielen
Möchten Sie Ihr gerootetes Smartphone mithilfe eines Stock-ROMs in den Originalzustand versetzen, sollten Sie zunächst versuchen, dies mit der zum Lieferumfang des Geräts gehörenden Hersteller-Software zu bewerkstelligen. Bis auf HTC Sync bieten sämtliche Tools eine entsprechende Funktion zum Aktualisieren der Smartphone-Firmware an.
Starten Sie die zum Lieferumfang des Smartphones gehörende PC-Software und aktualisieren Sie das Programm gegebenenfalls. Schließen Sie dann das Android-Gerät über USB-Kabel am Rechner an und überprüfen Sie, ob sich die Firmware auf diesem Wege einspielen lässt. Hat alles geklappt, befindet sich Ihr Smartphone wieder im Originalzustand.
Wenn der Versuch, das Stock-ROM mithilfe der Hersteller-Software einzuspielen, scheitert, sollten Sie es anschließend mit der geräteeigenen Update-Funktion versuchen. Diese – auch als Over The Air, kurz OTA – bezeichnete Funktion können Sie an Ihrem Smartphone über die „Menü-Taste > Einstellungen > Telefoninfo > Software-Updates“ sowie „Aktualisieren“ respektive „Jetzt prüfen“ aufrufen.